Für berufliche Tätigkeiten mit Gefahrstoffen legt die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) die Pflichten von Arbeitgebern und Beschäftigten fest. Ein Gefahrstoffverzeichnis, früher auch als Gefahrstoffkataster bekannt, ist dabei eines der wichtigsten Dokumente. Nutzen Sie es als Fundament für weitere Maßnahmen im Umgang mit gefährlichen Arbeitsstoffen. Das Gefahrstoffverzeichnis unterstützt Sie bei der sicheren Handhabung, Lagerung, beim Transport und bei der Entsorgung von Gefahrstoffen. Zudem verschafft Ihnen das Gefahrstoffverzeichnis einen aktuellen Überblick über Ihre Lagerbestände.
Die Führung eines Gefahrstoffverzeichnisses ist nicht nur in Ihrem eigenen Interesse als Unternehmer, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung als Arbeitgeber. Erfahren Sie jetzt, was Sie in einem Gefahrstoffverzeichnis dokumentieren müssen und welche Fragen häufig dazu gestellt werden.
Was ist ein Gefahrstoffverzeichnis?
Ein Gefahrstoffverzeichnis ist eine tabellarische Auflistung aller im Unternehmen verwendeten, hergestellten oder gelagerten gefährlichen Stoffe, Gemische und Erzeugnisse. Das Gefahrstoffkataster ist sozusagen ein zentrales Dokument im Rahmen des betrieblichen Gefahrstoffmanagements und bietet einen detaillierten Überblick über die verwendeten Gefahrstoffe und deren potenzielle Risiken.
Das Gefahrstoffverzeichnis zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Gemäß der Gefahrstoffverordnung darf erst dann mit Gefahrstoffen gearbeitet werden, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung durch eine fachkundige Person, wie beispielsweise eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa), erstellt wurde. |
Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung werden sowohl die Sicherheitsdatenblätter der Hersteller und Lieferanten als auch das Gefahrstoffverzeichnis verwendet. Diese Dokumente dienen dazu, die von den aufgelisteten Gefahrstoffen ausgehenden Belastungen und Gefährdungen in der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe zu ermitteln und zu bewerten.
Das oberste Ziel bei der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe ist die Substitution. Dies bedeutet, dass man zuerst prüft, ob ein gefährlicher Stoff durch einen weniger gefährlichen oder sogar ungefährlichen Stoff ersetzt werden kann. Dieses Vorgehen entspricht dem STOP-Prinzip im Arbeitsschutz und wird sowohl im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG § 5) als auch in der Gefahrstoffverordnung und der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 600 gefordert.
Apropos Gefahrstoffverordnung: Die im November 2024 novellierte Gefahrstoffverordnung bringt bedeutende Neuerungen: So wurde unter anderem ein risikobasiertes Maßnahmenkonzept für krebserzeugende Stoffe der Kategorien 1A und 1B eingeführt und die Qualifikationsanforderungen für Beschäftigte im Umgang mit asbesthaltigen Materialien wurden verschärft. Mehr darüber erfahren Sie in unserem Beitrag Neue Gefahrstoffverordnung.
Wann muss ein Gefahrstoffverzeichnis erstellt werden?
Ein Gefahrstoffverzeichnis ist erforderlich, wenn Mitarbeiter mit Gefahrstoffen arbeiten, die über eine geringe Gefährdung hinausgehen. Die Kriterien für eine geringe Gefährdung sind in § 6 Abs. 10 GefStoffV festgelegt und umfassen die gefährlichen Merkmale des Stoffs, die verwendete Stoffmenge, die Höhe und Dauer der Exposition sowie die Arbeitsbedingungen.
Alle Beschäftigten, die Umgang mit Gefahrstoffen haben, müssen jederzeit Zugang zum Gefahrstoffverzeichnis haben. |
Die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 400 („Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“) erweitert diese Anforderungen. Demnach müssen auch chemische Arbeitsstoffe mit geringer oder keiner Gefährdung im Verzeichnis aufgeführt werden, wenn bei ihrer Herstellung oder Verwendung Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden. Oder wenn durch sie sonstige Gefährdungen entstehen können, wie beispielsweise durch erstickende Gase. Aufgrund dieser umfassenden Anforderungen wird häufig der Begriff „Arbeitsstoff- und Gefahrstoffverzeichnis“ (AGV) verwendet.
Was passiert, wenn Sie kein Gefahrstoffverzeichnis erstellen?
Die rechtlichen Konsequenzen bei Nichteinhaltung dieser Vorschriften sind ernst zu nehmen. Ein fehlendes, unrichtiges oder unvollständiges Verzeichnis stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Sollte durch diesen Verstoß das Leben oder die Gesundheit einer Person gefährdet werden, kann dies sogar zu einer Strafbarkeit nach § 27 des Chemikaliengesetzes (§ 27 ChemG) führen.
Was muss alles in ein Gefahrstoffverzeichnis?
Die Inhalte und Angaben, was in einem Gefahrstoffkataster enthalten sein muss, sind im Paragraf 6 Absatz 12 der Gefahrstoffverordnung festgelegt. ( § 6 GefStoffV – „Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung“).
Demzufolge muss das Verzeichnis folgende 5 Mindestangaben enthalten:
- Bezeichnung des Gefahrstoffs
- Einstufung oder Angaben zu gefährlichen Eigenschaften
- Verwendete Mengenbereiche
- Betroffene Arbeitsbereiche
- Verweis auf das entsprechende Sicherheitsdatenblatt
Zusätzlich zu diesen Mindestangaben kann ein erweitertes Gefahrstoffverzeichnis weitere wichtige Informationen enthalten, wie etwa:
- Die genaue Verwendung des Arbeits- oder Gefahrstoffes sowie das entsprechende Arbeitsverfahren. Hierbei können Tätigkeiten wie Spritzlackieren, das Reinigen von Werkstücken in Lösemittelbädern oder das Schweißen von Edelstahlbehältern aufgeführt werden.
- Auch der durchschnittliche jährliche Mengenbereich des Arbeits- oder Gefahrstoffes sollte im Gefahrstoffverzeichnis vermerkt werden, etwa 50 Liter Silikonreiniger oder 500 Kilogramm Kunststoffgranulat. Der Zeitraum der Verwendung ist ebenfalls relevant, wobei bei aktuell genutzten Stoffen das Jahr der erstmaligen Verwendung anzugeben ist.
- Besondere Aufmerksamkeit sollte Tätigkeiten gewidmet werden, bei denen verfahrensbedingt Gefahrstoffe wie Dämpfe, Stäube, Rauche, Gase oder Aerosole freigesetzt werden. Dazu gehören unter anderem gewisse Schweißarbeiten, Dieselmotoremissionen, die Be- und Verarbeitung von Holz und Holzwerkstoffen sowie die Verarbeitung von Kunststoffen und Mineralfaserprodukten.
- Nicht zu vernachlässigen sind auch Gefahrstoffe, die bei der Lagerung von Erzeugnissen freigesetzt werden können. Hierzu zählen beispielsweise N-Nitrosamine aus Reifen und technischen Gummiartikeln, Biozide aus imprägniertem Holz oder Formaldehyd aus Spanplatten.
Ein umfassendes Gefahrstoffverzeichnis berücksichtigt all diese Aspekte und trägt so zu einem effektiven Arbeitsschutz und einer sicheren Arbeitsumgebung bei.
Die wichtigsten Gefahrstoffpiktogramme
Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Gefahrstoffkennzeichnungen gemäß dem Global Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS/CLP). Diese Kennzeichnungen sind für ein Gefahrstoffverzeichnis relevant und umfassen rote Piktogramme, Signalworte wie „Gefahr“ oder „Achtung“ sowie spezifische Gefahrenhinweise.
Gefahrstoffpiktogramm | Gefahrstoffbezeichnung | Beispiele |
Explosionsgefährlich | TNT, Nitroglycerin, Schwarzpulver | |
Entzündbar | Benzin, Aceton, Ethanol | |
Brandfördernd | Wasserstoffperoxid, Kaliumchlorat, Sauerstoff | |
Gase unter Druck | Propan, Butan, Druckluft | |
Ätzend | Schwefelsäure, Natronlauge, Salzsäure | |
Giftig | Blausäure, Arsen, Quecksilber | |
Gesundheitsschädlich | Chloroform, Toluol, Ammoniak | |
Reizend | Essigsäure, Natriumhypochlorit, Zitronensäure | |
Gesundheitsgefährdend | Benzol, Asbest, Formaldehyd | |
Umweltgefährlich | DDT, Tributylzinn, Kupfersulfat |
Achtung: Zahlreiche Gefahrstoffe können mehrere Gefahrenmerkmale aufweisen und deshalb in der Praxis oft mehrere Gefahrstoffpiktogramme tragen.
Warum ein Gefahrstoffverzeichnis?
Ein Gefahrstoffverzeichnis schützt nicht nur Ihre Mitarbeiter vor einer Vielzahl von Belastungen und Gefährdungen. Es bildet auch das Fundament für weiterführende Arbeitsschutzmaßnahmen, insbesondere die bereits genannte Gefährdungsbeurteilung und die Erstellung Ihrer Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe.
Die Unterweisung für Gefahrstoffe
Unternehmen, die mit Gefahrstoffen umgehen, sind nach § 14 GefStoffV („Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten“) gesetzlich verpflichtet, basierend auf der Betriebsanweisung für Gefahrstoffe entsprechende Unterweisungen für ihre Mitarbeiter durchzuführen:
Zitat:
„Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisung über alle auftretenden Gefährdungen und entsprechende Schutzmaßnahmen mündlich unterwiesen werden. Die Unterweisung muss vor Aufnahme der Beschäftigung und danach mindestens jährlich arbeitsplatzbezogen durchgeführt werden. Sie muss in für die Beschäftigten verständlicher Form und Sprache erfolgen. Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisung sind schriftlich festzuhalten und von den Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen.“
(Quelle: § 14 GefStoffV – Einzelnorm)
Wer darf das Gefahrstoffverzeichnis erstellen?
Die Erstellung und Pflege eines Gefahrstoffverzeichnisses ist eine zentrale Aufgabe im betrieblichen Gefahrstoffmanagement. Obwohl das Gesetz keine spezifische Person für diese Verantwortung benennt, liegt die Hauptverantwortung beim Arbeitgeber, der immer für die Sicherheit am Arbeitsplatz zuständig ist.
Als Arbeitgeber haben Sie mehrere Optionen zur Erfüllung dieser Pflicht:
- Sie können die Aufgabe selbst übernehmen, vorausgesetzt, Sie verfügen über die notwendige Fachkunde.
- Sie können die Aufgabe auch an eine qualifizierte Person delegieren, wie:
- einen Gefahrstoffbeauftragten
- eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa)
- einen externen Gefahrgutbeauftragten
Unabhängig davon, wer das Gefahrstoffverzeichnis erstellt, bleibt die endgültige Verantwortung bei Ihnen als Arbeitgeber.
Fazit Gefahrstoffverzeichnis
Das Gefahrstoffverzeichnis oder Gefahrstoffkataster ermöglicht es Ihnen, einen Überblick über die eingesetzten Gefahrstoffe in verschiedenen Arbeitsbereichen zu gewinnen. Dadurch lässt sich identifizieren, ob für ähnliche Tätigkeiten unterschiedliche Substanzen verwendet werden und ob eine Reduzierung auf einen einzigen Stoff möglich ist (Substitutionsprinzip).
Darüber hinaus dient Ihnen das Gefahrstoffverzeichnis als Entscheidungsgrundlage für:
- Die Optimierung Ihrer Lagerbestände
- Die fachgerechte Entsorgung von Gefahrstoffen
- Die Planung sicherer Transportvorgänge
Auch wenn der Umgang mit Gefahrstoffen in Ihrem Betrieb vielleicht alltäglich ist, sollten die damit verbundenen Gesundheitsrisiken für Ihre Mitarbeitenden nicht unterschätzt werden. Ein sorgfältig geführtes Gefahrstoffverzeichnis erfüllt nicht nur die gesetzlichen Vorgaben gemäß der Gefahrstoffverordnung, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle für die Sicherheit in Ihrem Unternehmen.
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